Selbstreflexion

Seele - die führende Kraft in unserem Leben

Die Zeit um Allerseelen und das trübe, manchmal auch nebelig- mystische Herbstwetter lösen bei mir immer das Bedürfnis aus, innezuhalten und über das Leben und seine Endlichkeit beziehungsweise Unendlichkeit nachzudenken. Daraus sind schon die Posts Reden wir über Sterben und Tod und Letzte Hilfe Kurs entstanden. Dieses Jahr ist es die Seele, mit der ich mich näher befasse.

Überall auf der Erde und in allen Religionen machen sich die Menschen seit je her Gedanken über die Seele und es gibt viele Gemeinsamkeiten, aber auch viele Kontroversen. Ich möchte in diesem Post nicht diskutieren, ob die Seele unsterblich ist, reinkarniert oder nicht, sondern ganz einfach beleuchten, welche Rolle sie in unserem täglichen Leben spielt.

Während meiner Berufsjahre und auch in meinen energetischen Ausbildungen habe ich viele Persönlichkeitsmodelle kennengelernt und jedes davon hat mir neue und auch hilfreiche Einsichten und Erklärungen gebracht. Aber so im Innersten „ertappt“, wie bei der Beschäftigung mit meiner Seele, bin ich mir noch nie vorgekommen. Plötzlich war so klar, warum sich immer wieder dieselben Muster und Situationen in meinem Leben zeigen und gleichzeitig kann ich viel gelassener damit umgehen.

Mit diesem Post möchte ich euch zeigen, wie man mit der Seele kommunizieren kann um sich selbst besser kennenzulernen, denn es scheint mir, dass mit dem Älter werden die Fragen nach Sinn und Warum noch dringlicher auftauchen als früher.

Take away

  • Aus meiner Sicht ist die Seele mein unveränderlicher Wesenskern und der wahre CEO in meinem Leben.

  • Jede Seele hat einen einzigartigen Archetyp und bildet mit der Lebensaufgabe und individuellen Qualitäten meine Grundenergie, die sich wie ein „roter Faden“ durch das Leben zieht.

  • Durch die Beschäftigung mit der eigenen Seele lassen sich viele Fragen über uns selbst beantworten, die wahren Stärken entfalten und man ist einfach viel authentischer!

 

Foto: Valentin Antonucci auf pexels

 

DIE SEELE - OFT ZITIERT UND UNTERSCHIEDLICH VERSTANDEN

Wie oft zitieren wir die Seele in Redewendungen, ohne uns Gedanken zu machen, was denn eigentlich die Seele ist: „Mir liegt etwas auf der Seele. Du sprichst mir aus der Seele. Sich alles von der Seele reden. Den Seelenfrieden finden. Mit der Seele baumeln. Wir sind ein Herz & eine Seele. Ja, und man kann sogar seine Seele verkaufen! Offensichtlich wissen wir alle, dass da etwas Besonderes in uns ist.

Dem Begriff Seele nachzugehen, ist schwierig, weil es so viele unterschiedliche Deutungen gibt. Allein im Arbeitskreis MITEINANDER: Ärzte-Psychotherapeuten-Energetiker, den ich ein paar Jahre leiten durfte, sind wir nach etlichen Missverständnissen in heißen Diskussionen auf fundamentale Unterschiede gestoßen. Unsere Psychotherapeuten und Mediziner haben Seele als Synonym für Psyche angesehen, also die Gesamtheit der Gefühle eines Menschen. Wir Energetiker hingegen sehen die Seele als immaterielle, unsterbliche Identität, die bereits vor der Geburt existiert, den Körper vorübergehend bewohnt und diese Erfahrungen über den physischen Tod hinaus bewahrt.

ENTDECKE DEINE SEELE

Der energetischen Sicht folgend habe ich im Artikel Jour Fixe mit dem Kernteam schon eine Definition versucht und die Seele als CEO bezeichnet, also den „Geschäftsführer“ in meinem Leben. Er repräsentiert den Eigentümer (der ist für mich das Höhere Selbst), bringt bereits eine Lebensaufgabe mit, sucht die besten Bedingungen dafür, also einen Körper mit all den biologischen Gegebenheiten der Ahnenlinien und ein entsprechendes Umfeld, um diese Lebensaufgabe bestmöglich zu erfahren. In diesem Post möchte ich diesen Gedanken weiter vertiefen und der Strategie nachgehen, die „mein CEO“ in meinem Leben verfolgt.

In meinen Meditationsgesprächen mit der Seele ist mir vor allem ihre Größe und Einzigartigkeit bewusst geworden sowie ein tiefes Gefühl von Sicherheit entstanden. Sie ist unser wahrer Wesenskern mit all den individuellen Eigenschaften, Stärken und Schwächen. Dieser Teil in uns kann durch Erziehung, Wissen und auch Erfahrung nicht verändert werden, allerdings können wir uns davon distanzieren, indem wir z.B. äußeren Einflüssen nachgeben oder uns ungewollt anpassen. Dann leben wir auf eine Art und Weise, die nicht unserem wahren Kern entspricht, wir erleben Selbstzweifel, sind nie so richtig zufrieden oder auch ewig auf der Suche.

Ich habe auch den Eindruck, dass die Seele wenig übrig hat für unser wirtschaftliches Dasein. Es ist ihr egal, ob wir Erfolg haben, reich oder arm sind, etwas Großes oder Kleines bewegen. Das passt schon eher zum EGO und zum Verstand. Der Seele geht es vielmehr um die Qualität, mit der wir durchs Leben gehen und was wir dabei erleben, erfahren und was wir daraus machen. Früher dachte ich, Seelenaufgabe und Berufung sind etwas Großes, der ultimative Weg zu Liebe und wahren Gefühlen. Das ist sicher nicht falsch, aber offensichtlich gibt es auch noch ganz andere, viel profanere Dinge, die die Seele ausprobieren möchte und das können sogar auch Reibung und Konflikte sein. Diese aufzulösen und neue Wege zu gehen – darum geht’s!

Durch die Beschäftigung mit der eigenen Seele lassen sich viele persönliche Fragen beantworten:

Wer bin ich? 
Was ist der Sinn meines Lebens? 
Warum fallen mir manche Dinge so leicht und andere so schwer?
Wieso passieren mir immer wieder die gleichen Dinge?

Die Seele in ihrer Vielfalt zu erkennen, geht nicht mit Logik oder über den Verstand. Es ist eine andere Ebene, die man - aus meiner Erfahrung - eher mit dem Herzen spürt. Ebenso kann man die Stimme der Seele wahrnehmen, wenn man völlig neutral und still ist und nur beobachtet, denn die Sprache der Seele ist meist deutlich leiser als die des Verstandes.

Die Voraussetzung für eine Begegnung ist daher tiefe Entspannung und Gedankenstille. Dann kannst du direkt mit ihr sprechen - sie ist ja immer da. Die Informationen und Antworten kommen allerdings nicht immer so direkt, wie wir das gewohnt sind oder wünschen. Manchmal sind es spontane, klare Botschaften und so einprägsam, dass es nichts mehr zu diskutieren gibt, manchmal ist es eine tiefe innere Erkenntnis oder es zeigt sich ein unmissverständliches Gefühl und manchmal kommt in diesem Moment einfach gar nichts. Das ist dann gewöhnungsbedürftig und kann frustrierend sein, denn schnell ist der Verstand da und meint: Siehst du, geht ja doch nicht!

Daher kann man sich auch anders helfen, um Einsicht in die Seele und ihre Aufgaben und Qualitäten zu bekommen.

ARCHETYPEN DER SEELE UND ENTWICKLUNGSZIELE

Eine der besten Beschreibungen der Seelenaufgaben habe ich bei Varda Hasselmann und Frank Schmolke in ihrem Buch Archetypen der Seele [1] gefunden. Eines Tages kam mein Mann zu mir und meinte „Bitte lies das, so gut habe ich mich noch nie beschrieben gefühlt! Jetzt machen für mich so viele Dinge, die sich in meinem Leben wiederholen, erstmals Sinn.“ Die Beschreibung seiner Seelenmatrix war auch für mich ein Schlüsselmoment in unserer Beziehung. Nicht nur erkannte ich meinen Mann darin, ich habe auch verstanden, warum er auf bestimmte Situationen immer gleich reagiert und dass das keine Schwäche, sondern Programm seiner Seele ist.

Das Modell von Seelenmatrix und die Archetypen der Seele basiert auf der Idee, dass jede Seele mit einer einzigartigen, angeborenen Energiestruktur in diese Welt kommt. Die Basis bilden sieben Archetypen oder Seelenrollen: Heiler, Künstler, Krieger, Gelehrter, Weiser, Priester und König. Diese Rollen haben natürlich nichts mit Berufsbildern zu tun. Die Seelenrolle zeigt unser Potenzial und eine bestimmte energetische Schwingung, die unsere Grundausstrahlung bildet.

Wie man diese Seelenrolle tagtäglich lebt, hängt von weiteren konstanten Faktoren ab, die grundlegende Aspekte unseres Wesens prägen. Hier nur ein paar Beispiele:

  • Die Grundangst, z.B. das Gefühl von Unzulänglichkeit, Angst vor Unberechenbarkeit oder verletzt zu werden. Sie zeigt sich in vielen Situationen und ist ein starker Antrieb für persönliche Entwicklung.

  • Das Entwicklungsziel (z.B. herrschen, unterordnen, akzeptieren … ) ist jenes Thema, mit dem wir uns auf unterschiedlichste Weise auseinandersetzen müssen.

  • Der Modus zeigt das Temperament, wie wir dieses Entwicklungsziel erreichen: z.B. leidenschaftlich, vorsichtig, zurückhaltend oder aggressiv.

  • Die Mentalität ist die geistige Grundhaltung, mit der wir durchs Leben gehen. z.B. als Skeptiker, Zyniker, Pragmatiker, Idealist, Realist.

  • Das Reaktionsmuster legt fest, wie wir auf plötzliche Ereignisse reagieren, z.B. emotional, intellektuell, aktionistisch.

  • Das Seelenalter ergibt sich aus der Anzahl von Inkarnationen und entspricht einer Art Reifungsprozess.

Jeder dieser Aspekte hat eine spezifische Energie und alle zusammen bilden die Energiestruktur unserer Seele. Sie drückt sich in all unseren Lebenssituationen aus und gibt uns Orientierung und Stabilität. Eine wichtige Erkenntnis war für mich, dass diese Seelenenergie über das gesamte Leben unverändert ist und vor allem auch unabhängig von äußeren Einflüssen wie Erziehung oder Erfahrungen.  

DIE SEELE SPIELT IM ALLTAG IMMER MIT

Neugierig habe ich mich selbst anhand der Seelenmatrix eingeschätzt und mich dabei positiv „ertappt“ gefühlt! Dass ich mich in der Rolle der Weisen wohl fühle, die gerne schwierige Erkenntnisse verständlich vermittelt, für Kommunikation sorgt und gerne auf der Bühne steht (u.v.m.) war schnell klar. Dass aber dazu Unzulänglichkeit als Grundangst zu mir gehört, hat mir die Augen geöffnet. Ein ganzes Leben lang begleitet mich dieses Gefühl und ist unabhängig von all meinen vielen Erfolgen. Früher habe ich mit diesem Gefühl gehadert und dagegen angekämpft. Nach der Beschäftigung mit der Seelenmatrix habe ich es einfach angenommen. Inzwischen beginne ich sogar schon innerlich zu lächeln, wenn sie sich wieder einmal zeigt und denke: Wozu forderst du mich heute auf? Außerdem laufe ich nicht mehr Eigenschaften nach, die ich nicht habe. wie z.B. die Qualitäten der Kriegerin, die u.a. kein Problem mit Konfrontationen hat. Konfrontationen sind einfach nicht meines, ich löse das anders.

Besonders interessant fand ich die Reaktionsmuster, also die Art und Weise wie man auf überraschende Situationen reagiert. Das zeigt sich im Alltag immer und immer wieder und kann zu massiven Missstimmungen führen, wenn die anderen „anders“ reagieren. Wenn z.B. eine überraschende Nachricht kommt, kann die erste Reaktion Angst oder Sorge sein oder auch eine intellektuelle Analyse der Situation oder man beginnt spontan, aktionistisch zu handeln. Wie wir reagieren, hat nichts mit Intellekt zu tun, sondern ist Teil unserer Seelenergie und damit angeboren. Sich und andere in dieser Erstreaktion zu kennen und zu akzeptieren ist bereits ein großer Schritt zum gegenseitigen Verständnis

SCHICKSALHAFTE WENDUNGEN

Ich habe viel gelesen und vor allem auch meditiert, um meine Seele zu erfahren. In einer Meditation hatte ich plötzlich diese Klarheit, dass sie den „roten Faden in meinem Leben“ darstellt. Wenn ich auf mein Leben blicke, dann ist da tatsächlich eine Konstanz - trotz aller biografischen Brüche, Schwierigkeiten und Wendungen und manchmal ganz entgegen meine Wünschen oder meinen Verstand. Aus heutiger Sicht kann ich zu jeder dieser Situationen sagen: Gut war´s! Für mich ist damit klar, dass da eine höhere, nicht verstandesmäßige Instanz in mir am Werk ist.

Für mich ist die Seele
der rote Faden in meinem Leben!

Wenn man sich mit den Energiestrukturen der Seele befasst, können wir unsere individuellen Stärken besser verstehen, unsere Ängste annehmen und unser Leben in Einklang mit unserem tiefsten Wesen gestalten. Alles in allem: authentischer und leichter durchs Leben gehen.

Es gibt viele gute Informationen im Internet, aber ich empfehle dir, dich mit jemand anderen dazu auszutauschen, denn viel zu leicht trifft man auf „blinde Flecken“ oder bleibt im Wunschdenken stecken. Außerdem ist die Beschäftigung mit der Seele nichts, was man so schnell einmal nebenbei „abtickt“, es ist eine dauernde Entdeckungsreise zu sich selbst. Und je mehr man sich selbst entdeckt, desto stärker wird unser Strahlen!

Herzlichst
Helga

mehr Informationen zur Seelenmatrix u.a. Andrea Tuma: Impulsen der Seele folgen

[1] Varda Hasselmann und Frank Schmolke: Archetypen der Seele: Die seelischen Grundmuster - Eine Anleitung zur Erkundung der Matrix -  Goldmann 2010

 

Warum Memoirenschreiben gut tut - ein Podcast

Judith Schneider von Zeitpolster hat mich im Rahmen ihrer Podcast-Serie „Cleveres Älterwerden“ eingeladen, über meine Erfahrungen des Memoirenschreibens zu sprechen.

Zu diesem Thema habe ich vor fast zwei Jahren bereits einen Artikel gepostet: Memoiren – mehr als nur Erinnerung, in dem ich insbesondere über die Erfahrungen meiner Schwester berichtet habe, die unsere Familiengeschichte und ihren Lebensweg in Japan festgehalten hat. Ich habe sie in diesem Prozess oft begleitet, dachte mir aber, dass ich noch viel zu jung für meine eigenen Memoiren sein. 

Aber manche Dinge ändern sich überraschend. Plötzlich hatte ich das Bedürfnis, die Erinnerungen an meine vielen Dienstreisen auch in sehr exotische und spannende Länder aufzuschreiben. Daraus ist dann sukzessive mehr geworden und wurde schließlich eine Reflexion des größten Teils meiner Berufszeit. Ich habe mir viele Fragen gestellt und beantwortet wie z.B.:

  • Was hat mich bewogen den damals völlig unbekannten Bereich  Umweltmanagement in einem der größten Unternehmen Österreichs aufzubauen? Was wollte ich erreichen und was ist daraus geworden?

  • Welche Projekte habe ich gemacht und welche davon waren erfolgreich, welche nicht und warum?

  • Wie ist es mir als Frau in der männerdominierten Energiewirtschaft ergangen?

  • Welche Menschen haben mich begleitet, wie haben sie mich unterstützt, aber auch, wie haben mich die Konflikte mit einigen von ihnen weiter gebracht?

  • Was sagen rückblickend mein Sohn und mein Mann zu meinen intensiven Berufsjahren?

  • Wie war mein Work-Life Balance wirklich?

Die (auch für mich manchmal überraschenden) Antworten auf einige dieser Fragen sowie Tipps, wie man es angeht und warum es gut tut, Memoiren zu schreiben besprechen Judith und ich in diesem Podcast.

 

Zeitpolster - Podcast: Warum Memoirenschreiben gut tut

 

Takeaway

  • Eine Biographie enthält die chronologischen Fakten deines Lebens, Memoiren hingegen die Erinnerungen und Reflexionen.

  • Du kannst entweder strukturiert vorgehen oder auch einfach bei irgendeinem Ereignis zu schreiben beginnen. Aber bevor du anfängst, überleg dir, warum du das machst: z.B. um etwas weiterzugeben, abzuschließen, dir klar zu werden, deine Schätze für dich selbst festzuhalten etc.

  • Memoiren dokumentieren den Schatz deines Lebens, deine Erlebnisse und Entscheidungen und du erkennst klar den roten Faden, das Herausfordernde und das Schöne.

  • Entscheidend ist allerdings die Einstellung, mit der du zurück schaust! Sie ist verantwortlich dafür, ob daraus ein Drama wird, ein Entwicklungsroman, in einzelnen Bereichen vielleicht sogar eine Komödie oder ein wesentlicher Teil deiner persönlichen Schatzkiste. Nur du entscheidest!

Herzlichst
Helga

 
 

Im Podcast über das „clevere Älterwerden“  findet ihr auch noch viele andere interessante Themen. Unter anderem zwei weitere Podcast von mir über strahlend alt werden und ausmisten für mehr Freiheit

 

Für alle, die Zeitpolster noch nicht kennen:
Zeitpolster ist ein Sozialunternehmen, das Betreuungsleistungen für ältere Menschen, Kranke oder auch für Familien mit Kindern vermittelt. Es geht um Gesellschaft leisten, Freizeitbegleitung, einkaufen gehen, Hilfe in Haus und Garten u.v.a. Das Besondere an dem Konzept ist aber, dass die Helfenden, die sich für andere Menschen einsetzen, ihre Stunden für später gutgeschrieben bekommen, wenn sie selber Hilfe brauchen. Ich finde diese Idee höchst spannend, denn Netzwerke sind so ein wichtiger Bestandteil, wenn wir älter werden.

Lebensrhythmen - Das Leben im 7/7 Takt

Unser ganzes Leben folgt bestimmten Rhythmen! Denn alle 7 Jahre ändern sich die Lebensthemen, denen wir uns stellen sollten, um daran persönlich zu wachsen.

Am Anfang des Lebens ist uns klar, bis 7 ist Kindheit, danach Schule und Pubertät bis 14, Selbstfindung und Wahl des Berufsweges bis 21, dann Partnerschaften, Beruf und oft Familiengründung usw. Man geht davon aus, dass wir schließlich mit 49 ein vollständiges Erwachsenenprofil haben[1]. Und was ist dann? Wie geht die Entwicklung bis ins hohe Alter weiter? Welche Lebensthemen stehen in diesen Septennien (7-Jahresphasen) an?

Als ich das Posting geschrieben habe war ich ehrlich überrascht, wie sehr die Septennien in meiner Rückschau zutreffen. Daher habe ich sie für die Zeit von 50 bis 100 weiter entwickelt, um die aktuellen und kommenden Rhythmen besser zu verstehen.

Wenn wir uns dem Rhythmus nicht anpassen, könnte es passieren, dass wir Boogie tanzen möchten, während gerade Walzer gespielt wird - und das wäre echt anstrengend.

Take away

  • Auch im Alter stehen ganz bestimmte Entwicklungsschritte an, denen man besser folgen sollte.

  • Meine Erkenntnisse und Vorschläge für die Septennien von 50 bis 100.

  • Sich den Lebensthemen zu stellen, verhindert mögliche Alterserscheinungen wie Rückzug, Frustration, Bitterkeit u.a.

 

pexels: Kampus Production

 

ALLE 7 JAHRE EIN NEUER SCHWERPUNKT

Bei meinem Interview über den Sinn im Alter, gab mir Daniela Philipp das Buch von Penny McLean[2]Alles neu in 7 Jahren. Das Geheimnis der Lebensrhythmen“. Es hat mich sehr angesprochen und ich habe neugierig auf einer Zeittabelle alle wichtigen Erlebnisse und Entscheidungen meines Lebens eingetragen, sowie die schönen und auch die weniger schönen Jahre. Und tatsächlich, ich fand Gesetzmäßigkeiten, die mir bisher nicht bewusst waren.

Auf der Suche nach mehr Informationen zu Lebensrhythmen oder -zyklen fand ich mehrere ähnliche Konzepte. Bereits der griechische Politiker Solon (640-560 v.Chr.), dem wir den Grundgedanken der Demokratie verdanken, sprach von 10 Lebensphasen zu je 7 Jahren und gab jeder ein spezifisches Entwicklungsthema. Auch Rudolf Steiner (Begründer der Anthroposophie) war davon überzeugt, dass das Leben in Wachstumsschritten vor sich geht, wobei jede 7-Jahresperiode direkt mit körperlichen und geistigen Entwicklungen korreliert. Neueste Zellforschung zeigt, dass sich tatsächlich praktisch der gesamte Körper in 7-Jahresperioden erneuert[3] Und auch in meinen Energetik-Ausbildungen habe ich über die Entwicklung der Energiezentren (Chakren) gelernt, die ebenfalls einem 7er Rhythmus folgen.

DIE ENTWICKLUNGSZYKLEN DER 7 CHAKREN

Die 7 Chakren sind Energiezentren, die bestimmte Körperregionen mit feinstofflicher Energie versorgen. Sie enthalten und speichern aber auch emotionale und geistige Informationen. Man könnte sie auch als Bewusstseinsebenen der Persönlichkeit[4] betrachten. Wenn sie durch negative Erlebnisse oder Gedanken „blockiert“ werden, wirkt sich das auf den Energiefluss aus und führt schließlich zu körperlichen Beeinträchtigungen. Deshalb ist es selbst im Alter noch wichtig, seelische Verletzungen oder hinderliche Gedankenmuster von früher aufzulösen.

Natürlich arbeiten alle Chakren permanent, aber jeweils 7 Jahren lang ist eines besonders aktiv (etwa so, wie in der EU, in der alle 27 Mitgliedsstaaten immer aktiv sind, aber abwechselnd hat nur eines den Ratsvorsitz). Das fördert körperliche, emotionale und geistige Entwicklungssprünge (siehe Tabelle).

 
 

Mit dem 49. Lebensjahr (7 x 7 Jahre) ist unsere erwachsene Persönlichkeit ausgebildet. Mit dem 50. Lebensjahr fängt der Zyklus dann von vorne an!

Es ist so, als ob man die gleichen Stücke nochmals spielen würde. Und so wird man unbewusst auf Themen und Situationen gestoßen, die man früher vermisst oder verdrängt hat. Aber heute kann man ihnen mit der ganzen Lebenserfahrung neu begegnen.

Sollten wir das nicht tun, kann das unangenehme Folgen haben. Denn inzwischen ist bekannt, dass viele der sogenannten Alterserkrankungen tatsächlich ihre Wurzeln in bisher nicht verarbeiteten emotionalen Problemen haben, die bis in die Kinderzeit zurückreichen können. Ab 50 kann man also die Chakren mit der ganzen bisherigen Lebenserfahrung neu prägen und so für mehr Energie bis ins hohe Alter sorgen.

VON 49-56: SICHERHEIT UND GEBORGENHEIT

Das Wurzelchakra unterstützt die körperlichen Veränderungen, die jetzt bei Frauen, aber auch bei Männern, einsetzen. Damit klar zu kommen kann eine Herausforderung sein. Will man den Körper in seiner neuen Form annehmen und lieben oder nicht? Hier zeigt sich z.B., ob man mit dem Altern zurechtkommt oder dagegen kämpft. Die ganze Schönheitsbranche lebt davon!

Auch existentielle Fragen rücken in den Mittelpunkt. Genau in diesen Jahren hatte mein Mann einen Karriereknick und ich war im Burnout. Jeder von uns war also gezwungen, sich besonders mit den Themen Sicherheit, Urvertrauen und Durchhaltevermögen auseinanderzusetzen. Und das war, aus heutiger Sicht, sehr gut so.

VON 56-63: BEZIEHUNGEN & EMOTIONEN

Das Sakralchakra steht für Sexualität, Kreativität, Emotionalität, Vergangenheitsbewältigung sowie sinnlich und lustvoll durch die Welt zu gehen. All das ist in dieser Zeit angesagt. Klar, dass wir nach den ganzen hormonellen Veränderungen der letzten Jahre Sexualität neu erleben. So können auch manche Erlebnisse aus der Vergangenheit, Tabus oder Unsicherheiten jetzt neu bewertet oder aufgelöst werden.

Beziehungsthemen erscheinen in vielen Fassetten (z.B. steigt die Scheidungsrate in dieser Zeit) und Emotionen spielen eine große Rolle. Sowohl ein Zuviel als auch ein Zuwenig an Emotionen ist immer ein Zeichen unbewältigter Themen der Vergangenheit. Jetzt ist also eine gute Gelegenheit für Vergangenheitsbewältigung. In dieser Zeit haben mein Mann und ich mit energetischen Ausbildungen begonnen und dabei unzählige Glaubenssätze oder negative Emotionen aus der Kindheit und Jugend aufgelöst. Aus unserer Sicht war das die beste Investition in die Zukunft und hat uns auch enger zusammengeführt.

VON 63-70: NEUES SELBSTBEWUSSTSEIN

Mit der Pension kommt es zwangsläufig zur Neuorientierung. Jetzt kommen nochmals alle Themen der Selbstfindungsphase (15-21) hoch, die zum Solar Plexus gehören Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen, der Umgang mit Macht und Ohnmacht und das „Grenzen-setzen“.

Jetzt entscheidet sich, ob diese Werte aus der eigenen Persönlichkeit kommen oder ob man sich über die berufliche Position definiert hat. Das ist auch eine Erklärung dafür, ob einem der Schritt in die Pension schwer oder leicht fällt. Möglicherweise muss man ein neues Selbstbewusstsein finden, das vom Beruf oder äußerer Anerkennung unabhängig ist.

Auch Ausmisten (Ausmisten - eine Pflichtübung in der Pension) steht auf dem Programm und zwar auf allen Ebenen! Dazu zählen Gegenstände ebenso wie überholte Gewohnheiten.

Die Beziehungen müssen ebenso neu organisiert und Grenzen neu definiert werden, wenn ein oder beide Partner in Pension gehen.

Es ist auch die ideale Zeit, Talente und Fähigkeiten vor den Vorhang zu holen und auszuleben. Die meisten Senioren sind heute noch sehr aktiv!(Gewonnene Jahre; Pension und Alter sind ein Job, GO-GO, SLOW-GO, NO-GO, Freiwilligenarbeit: etwas machen das Sinn macht).

Für all das bietet das Solar-Plexus-Chakra die nötige Energie an. Wenn einem das gelingt, ist man mit 70 selbstsicherer und zufriedener denn je. Wenn man diesen Themen allerdings keine Beachtung schenkt, kann das dazu führen, dass man sich nicht mehr wertvoll fühlt oder mit dem Altern nicht zurechtkommst. Das kann zu Rückzug, Depression und Antriebslosigkeit führen. Man wird tatsächlich alt und fühlt sich auch so.

VON 70–77: BEDINGUNGSLOSE SELBSTLIEBE

Bedingungslose Selbstliebe und Liebe für andere sind ein Resultat eines offenen Herzchakras bzw. bewirken es. Je mehr wir lieben, desto mehr wirken wir alleine durch unser Sein. Unsere Anwesenheit beruhigt, erfreut und macht sicher.

Ein starkes Herzchakra stimuliert auch die Selbstheilungskräfte. Sogar chronische Erkrankungen können eine Verbesserung erfahren. Zusammen mit Selbstliebe und Liebe erklärt das auch, warum manche Menschen über 70 jahrelang nicht zu altern scheinen! Meine Schwester ist das beste Beispiel dafür. Obwohl die letzten Jahren wegen der Krankheit ihres Mannes und Corona sehr schwierig waren, scheint sie selber kein bisschen älter zu werden, weder körperlich noch von ihrer Einstellung und Haltung her.

Wenn man das Herzchakra aber verschlossen hält und an den vielen Verletzungen der Vergangenheit festhält, nicht fähig ist zu vergeben oder sich in Schuldgefühlen vergräbt, kann dies zu Einsamkeit, sogar zu Feindseligkeit, Verbitterung oder Misstrauen führen. Das zeigt sich besonders gegen Ende dieser Periode in großen Unterschiede in der Körperhaltung, Physiognomie oder Gangart.

Ob man es hören will oder nicht,
die Alterserscheinungen eines jeden Menschen
sind das Bild seiner persönlichen Innenwelt.
Penny McLean

VON 77–84: SELBSTAUSDRUCK & SELBSTREFLEXION

Die Energie des Halschakras fordert uns auf, authentisch zu sein sowie uns über den Sinn und die Reichhaltigkeit des eigenen Lebens Klarheit zu verschaffen. Diese Selbstreflexion kannst du z.B. durch Biographiearbeit machen oder du schreibst deine Memoiren (Memoiren, mehr als nur Erinnerung).

Selbstausdruck ist u.a. Kommunikation und der klare Ausdruck der eigenen Meinung. Das wollten wir ja immer schon, doch sehr oft mussten wir zu viel berücksichtigen: die Hierarchie, die Karriere, den „Haussegen“, Abhängigkeiten oder anderes. Wenn das Herzchakra aber inzwischen voll ausgebildet ist, gelingt dir das dann in jeder Situation und zwar niemals verletzend, trotzdem voll Wirkung und authentisch.

Wenn man die alten Beschränkungen und Zurückhaltungen von früher nicht überwindet, die das Halschakra blockieren, spürt man Angst, nicht mehr gut genug zu sein oder nicht mehr akzeptiert zu sein. Das kann dazu führen, dass man die eigenen Gefühle und Gedanken nicht mehr ausspricht, sich missverstanden oder gar ausgegrenzt fühlt.

VON 84-92: INTUITION & WEISHEIT

Das aktive Stirnchakra unterstützt uns darin Erkenntnisse aus all den bewussten und unbewussten Erlebnissen und Erfahrungen zu gewinnen, sodass das Leben trotz abnehmender körperlicher Kraft interessant und reichhaltig bleibt. Ich sehe daher diesen Lebenszyklus im optimalen Fall als Zeit, in der das Leben mit Weisheit und gelassener Heiterkeit erfüllt sein kann. Niemand hat einem mehr zu sagen, was man tun und lassen soll.

Gleichzeitig gilt es aber, sich mit Loslassen zu beschäftigen und Frieden in sich selbst zu finden. Wenn man allerdings an Altem rigide festhält und über Vergangenes trauert, dann leben die Menschen in Angst und Sorgen, unruhig, voll Pessimismus und haben wenig oder kein Interesse an anderen Menschen oder Neuem mehr.

VON 92-98: SPIRITUALITÄT

In dieser Zeit ist das Kronenchakra besonders aktiv und steht für Spiritualität und die Verbindung zum Höheren Selbst. Menschen, die sich darauf einlassen strahlen von innen heraus, schauen voll Frieden auf ihr Leben zurück und gleichzeitig voll Vertrauen dem Tod entgegen. Viele hochbetagte Menschen sind gesund und sie haben eine viel gelassenere Art mit den körperlichen Veränderungen umzugehen, als wir uns vorstellen können. Befragungen von Hundertjährige zeigten (Schönheit des Alters), dass ihr Leben voll Glück, Sinn und Leichtigkeit ist, weil sie es geschafft haben nach den Rhythmen des Lebens zu leben. Und das auch, wenn dazwischen schwierige Jahre lagen.

Mir persönlich hat die Klarheit der Lebensrhythmen und deren Entwicklungsthemen im Alter sehr viel gebracht. Obwohl ich weiß, dass wir häufig instinktiv das Richtige machen, sehe ich aber auch, dass sich oft das Ego durchsetzt und man in alten Gewohnheiten und Anforderungen an sich selbst stecken bleibt. Diesen Lebensrhythmen sind daher eine Art Kompass, nach dem ich mich richten kann und sie zeigen mir die Reichhaltigkeit unseres Lebens und dass es bis zuletzt etliches zu tun gibt. Und auch hier passt einer meiner Lieblingssprüche von Viktor Frankl

Wozu fordert mich das Leben jetzt auf?

Herzlichst
Helga


[1] Rudolf Steiner, Penny McLean, Chakrenlehre, etc.

[2] Penny McLean: Alles neu in 7 Jahren. Das Geheimnis der Lebensrhythmen. KNAUR 2014

[3] Jonas Frisen, Zellbiologe,  Karolinska-Institut Stockholm

[4] Rosalyn Bruyere, Heilerin & energetische Forschung, USA - Ausbildung


Memoiren - mehr als nur Erinnerungen

Hast Du schon darüber  nachgedacht deine Autobiografie oder deine Memoiren zu schreiben? Nein? Ich auch nicht! Aber ich habe diesen Prozess bei meiner Schwester miterlebt, die vor 3 Jahren damit begonnen hat und nun fast fertig ist.  Warum sie das gemacht hat, was dabei so interessant war und wie sich die Motivation während des Schreibens geändert hat, möchte ich euch heute berichten. Denn ich glaube, dass es für jeden interessant ist, das eigene Leben zu reflektieren, um daraus Klarheit und Kraft zu erfahren und es zu würdigen.

Take away

  • Selbstreflexion als Entwicklungsaufgabe im Alter.

  • Herausfinden, was im eigenen Leben wirklich zählt.

  • Weil man sich das Positive vor Augen führt und weniger Positives nun mit Abstand neu bewerten kann.

 
 

LEBENSRÜCKBLICK GEHÖRT ZU DEN WICHTIGSTEN AUFGABEN IM ALTER

Es gibt die verschiedensten Motivationen dafür, den Lebensrückblick niederzuschreiben. Viele Menschen wollen Erinnerungen und besondere Erlebnisse für ihre Nachkommen festhalten. Aber noch viel häufiger liegt die Motivation darin, sich an die schönen und/oder auch an die weniger schönen Zeiten zu erinnern und so ein neues Verständnis dafür zu schaffen oder damit abzuschließen. Wenn man das ehrlich und ohne Werturteil über sich und andere zu Papier bringt, merkt man schnell, wie gut man so manches bewältig hat und wie wunderbar sich manche Wendungen im Leben ergeben haben.

Das Memoirenschreiben ist inzwischen in der Altersforschung als identitätsstiftende und besonders sinnvolle Tätigkeit anerkannt. Es geht nicht um sentimentales Schwelgen in der Vergangenheit, sondern um Selbstreflexion als Entwicklungsaufgabe im Alter. In einer Dissertation zu diesem Thema heißt es: „Dieses autobiografische Erinnern hat eine besondere Wirkung auf das Wohlbefinden und kann als wesentliche Ressource zur Gestaltung des eignen Alters beitragen und zählt zu den bedeutendsten, sinnstiftenden Tätigkeiten im Alter.“  [i]

MEMOIREN ODER AUTOBIOGRAPHIE – ZWEI VERSCHIEDENE DINGE

Es gibt zwei Arten diesen Lebensrückblick zu gestalten. Wenn man von Autobiographie spricht, dann meint man einen Bericht über das Leben, chronologisch, detailliert, in dem Daten und Fakten eine wichtige Rolle spielen. Bei Memoiren geht es um einen Bericht aus dem Leben, also Erinnerungen über bestimmte Ereignisse oder Epochen, in denen das persönliche Erleben im Vordergrund steht. Das kann das Berufsleben sein, das Familienleben, das können Reiseerinnerungen oder einfach besondere Ereignisse sein.

ERFAHRUNGEN MIT DEM MEMOIREN SCHREIBEN

Meine Schwester Daya ist vor 50 Jahren der Liebe wegen von Österreich nach Japan gezogen, also zu einer Zeit, in der das noch mehr als ungewöhnlich war. Dementsprechend ungewöhnlich war auch ihr Leben zwischen zwei so unterschiedlichen Kulturen. Telefonieren war kaum möglich, Videochats wie heute waren unbekannt, also blieben nur Briefe um zu kommunizieren. Unsere Mutter hat alle Briefe von Daya gesammelt und so existieren über 1.000 handgeschriebene Briefe über ihr Leben in Japan! Vor 3 Jahren hat sie begonnen anhand dieser Briefe ihre Lebensgeschichte und vor allem auch den europäischen Hintergrund für ihre Kinder und Enkelkinder zusammenzufassen. Dass daraus mehr geworden ist und sie viele persönliche Erkenntnisse gewonnen hat, hat sie selbst überrascht.

Ich habe viele, lange Gespräche mit meiner Schwester dazu geführt und möchte euch das Wichtigste berichten.

Daya, was waren für dich die interessantesten Erkenntnisse durch das Schreiben deiner Memoiren?

Natürlich hat man eine Vorstellung davon, wer man eigentlich ist und weiß, was im Leben bedeutsam war. Aber beim Memoirenschreiben muss man notgedrungen eine Auswahl treffen. Das Gewicht, das ich manchen Erinnerungen gab - wohingegen ich andere als unwichtig beiseite geschoben habe - zeigte mir deutlich, was mir ganz persönlich von größter Bedeutsamkeit erschien. Was in meinem Leben wirklich zählt!

Das waren in meinem Fall nicht unbedingt berufliche Erfolge oder die vielen Reisen, auch wenn sie mich mit Freude und Stolz erfüllen. Für mich war es geradezu lebenswichtig, dass meine japanisch-österreichische Familie beide Kulturen zu ihrem Recht kommen ließ. Von überragender Bedeutung waren deshalb familiäre Traditionen, die ich offensichtlich ganz gezielt als Gegengewicht zur japanischen Umgebung einsetzte und förderte, obwohl mir das damals gar nicht voll bewusst war. Ich hatte immer schon das Gefühl, dass unsere Familienfeste (Fasching, Weihnachten, Geburtstage,...) etwas Besonderes waren, aber wie besonders wurde mir erst klar, als ich Seite um Seite mit Beschreibungen und Fotos davon füllte. Die Kreativität, mit der wir sie gestaltet haben, hat auch meine Lehrtätigkeit enorm beeinflusst und zieht sich wie ein roter Faden durch mein ganzes Leben. Seit mir das in dieser Klarheit bewusst ist, kann ich auch viel besser damit umgehen, dass mit dem Alter viele Veränderungen kommen. Manche Sportarten gehen nicht mehr wie früher, weite Reisen derzeit auch nicht. Aber wenn ich sehe, wie meine Kinder diese Traditionen übernehmen und ihr eigenes daraus machen, ist mein Lebenstraum erfüllt.

Lernt man auch weniger positive Dinge und Lebensumstände besser einzuschätzen?

Oh ja, auch die konnte ich durch das Schreiben aufarbeiten, sie von mir ablösen und meinen Frieden damit schließen. Das vermutlich Wichtigste war, dass mir klar wurde, dass es selbst in einem Leben, das man im Rückblick als erfüllt und glücklich beurteilt, auch Schwierigkeiten und teilweise sehr große Herausforderungen gegeben hat. Aber alle Situationen haben sich in irgendeiner Form und durch mein Zutun positiv aufgelöst. Mir ist klar geworden, welche Methoden ich einsetze, um mit Problemen fertig zu werden und dass ich darauf vertrauen kann. Das hilft mir auch heute mit aktuellen Herausforderungen klar zu kommen. Zu wissen, dass es auf die eine oder andere Weise immer gut weiter geht, gibt ein unglaubliches Gefühl von Sicherheit.

Und schließlich ist durch das Niederschreiben der vielen schönen Erlebnisse meine Dankbarkeit enorm gestiegen. Ich trage so viele schöne Erinnerungen in mir.

Wie bist Du es praktisch angegangen?

Ich habe drei Bereiche gewählt. Der erste Abschnitt meiner Memoiren handelt von unserer Familie und geht zurück bis ins 19. Jahrhundert. Es ging mir darum das Leben unserer Großeltern und Eltern wiederzugeben und in das soziale Umfeld von damals einzuordnen, damit dieser österreichische Teil der Familie für meine eigenen Kinder und Enkel in Japan zugänglich ist. Dabei habe ich selber erstaunlich viel über unsere Eltern erfahren und sie besser verstehen gelernt. Sie haben zwei Weltkriege und die Zeit der Depression in ihrer Jugend miterlebt und trotzdem danach so viel aufgebaut und uns mitgegeben. Es ist über ihre Vergangenheit selten gesprochen worden, und dennoch hat alles, was sie erlebt haben, uns mitgeprägt. Was mich an diesem Teil so fasziniert hat, ist, dass ich vieles von ihnen in mir erkenne und trotzdem meinen eigenen Weg gegangen bin.

Die Kapitel über meine Kindheit und Jugend waren mehr oder weniger von Nostalgie geprägt, wobei ich versucht habe, den Lebensstil der damaligen Zeit miteinzubeziehen. Ein Leben ohne Plastik, ohne Flugreisen, ohne Computer kann man sich ja heutzutage kaum mehr vorstellen.

Am Spannendsten war es mein Erwachsenenleben zu beschreiben, Die Briefe, in denen ich den Eltern mein Leben in Japan beschrieben habe, haben mich berührt, als wäre ich in eine Zeitmaschine geraten. Das war wirklich ich selber; so habe ich damals gedacht; das war mir damals wichtig genug, es schriftlich festzuhalten. Erstaunlicherweise habe ich bemerkt, dass ich mich problemlos mit meinem jüngeren Selbst identifizieren konnte. Meine Einstellung gegenüber vielen Dingen hatte sich nicht grundlegend verändert, ich habe nur dazugelernt. Diese Texte haben längst vergessen geglaubte Einzelheiten wieder wachgerufen. Sofort war alles wieder da, Bilder, Gefühle, selbst Töne oder Gerüche, so unmittelbar als hätte ich es erst gestern erlebt. Viele Male hatte ich beim Lesen den Eindruck, einen Film vor meinem inneren Auge ablaufen zu sehen.

Durch das Auswählen und Niederschreiben hat sich meine Motivation nach und nach weg von der einfachen Nacherzählung der Vergangenheit zu einer Art Selbstfindung verschoben. Es ging mir immer mehr um den Stellenwert, den gewisse Erlebnisse in meinem Leben hatten. Wo habe ich bewusst oder unbewusst Weichen gestellt? Warum bedeutete das Eine so viel und das Andere so wenig? Welche Mechanismen nützten mir in welchen Situationen?

Was würdest Du jemandem raten, der jetzt Lust bekommen hat, seine Memoiren zu schreiben? Wo soll man beginnen? Wohin führt es?

Memoiren zu schreiben ist ein Prozess, auf den man sich einlassen muss. Es fließt viel Zeit hinein, aber Zeit, die einem selber voll und ganz zugutekommt. Wichtig ist auch der Austausch mit anderen – so wie wir beide das gemacht haben - das schärft nochmal den Blick. Damit der Umfang nicht so überwältigend groß erscheint, kann man natürlich auch bei einzelnen Abschnitten anfangen, die einem, aus welchem Grund auch immer, leichtfallen oder wichtig sind. Und sollte man wirklich auf Themen stoßen, die einem schwerfallen, etwa jemandem zu vergeben, dann ist das ein guter Anlass sich Hilfe zu suchen und es wirkt befreiend.

Die Arbeit an meinen Memoiren ist noch nicht abgeschlossen, aber schon jetzt weiß ich, dass sie mir einen Weg in meine tiefste Seele geöffnet hat, den ich sonst nicht gefunden hätte.

Liebe Daya, ich danke Dir für Deine Einblicke und auch dafür, dass Du den ersten Teil meiner Memoiren, nämlich jenen über unsere Familie, bereits geschrieben hast. Die beiden anderen Teile – Kindheit/Jugend und mein Erwachsenenalter – stehen nun durch Deine Anregungen fix auch auf meiner Job-im-Alter Liste.

JEDER LEBENSRÜCKBLICK IST SPANNEND UND WERTVOLL

Vielleicht ist es einfacher, wenn man auf schriftliche Dokumente wie Briefe und Tagebücher zurückgreifen kann, aber ich bin sicher, dass Fotos oder Filme, Erinnerungen, Gespräche oder einfach nur der Fokus auf bestimmte Ereignisse im Leben ebenfalls sehr gute Reflexionen ermöglichen, Und vielleicht war das Leben von Daya in Japan außergewöhnlich, aber ist nicht jedes Leben außergewöhnlich und einzigartig? Und damit wert betrachtet zu werden?

Herzlichst
Helga

[i] Geneviève Grimm-Montel: Funktionen des Erinnerns im erzählten Lebensrückblick älterer Menschen. Narrative Selbstdarstellung und Integration autobiografischer Erfahrungen. Dissertation an der Universität Zürich (2012) https://www.zora.uzh.ch/id/eprint/76278/1/Grimm-Dissertation.pdf