Begeisterung ist Dünger für´s Gehirn!

Dieser Ausspruch von Gerald Hüther ist ebenso plakativ, wie passend, denn Begeisterung und Neugierde lassen uns jung bleiben!

Das ist mir jetzt im Sommer wieder richtig klar geworden, als uns meine Nichte und ihre beiden größeren Kinder besucht haben. Wir waren quasi Großeltern auf Zeit. Es war großartig zu erleben, mit welcher Offenheit, Neugierde und Begeisterung Kinder durch den Tag gehen. Sie haben uns damit richtig angesteckt und auf viele neue Ideen gebracht.

Als Erwachsene haben wir im Laufe unseres Leben gelernt Dinge durchzuplanen, Konsequenzen zu bedenken, Vor- und Nachteile abzuwägen und Risiken einzuschätzen, bevor wir etwas machen. All das ist natürlich gut, hat uns aber auch viele Filter beschert, mit denen wir das Leben betrachten. Und insbesondere können sie unsere Begeisterungsfähigkeit ordentlich einschränken. Vielleicht ist mir deshalb so zu Bewusstsein gekommen, wie sehr Kinder im Moment leben, voll Entdeckerfreude und Spontaneität stecken.

Daher möchte ich mein heutiges Posting der Neugierde und der Begeisterung widmen. Denn beides ist nicht nur in jungen Jahren wichtig, sondern ganz besonders auch in unserem Alter unverzichtbar.

Während ich dieses Posting geschrieben habe und in die Begeisterung eingetaucht bin, haben mich gleich mehrere deprimierende Nachrichten von Freunden und Verwandten erreicht und mir gehörige Dämpfer versetzt. Mir ist also sehr bewusst, dass genau dieses Posting manchmal im totalen Gegensatz zu Lebenssituationen stehen kann, in denen es sehr schwer -  vielleicht sogar unmöglich ist -  Begeisterung zu empfinden. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass wir genau dann, wenn wir gut drauf sind, möglichst viele Methoden und Einstellungen (kennen-)lernen sollten, die uns danach helfen, mit Tiefschlägen besser umgehen zu können. Genau in diesem Sinne verstehe ich dieses und auch alle meine Postings.

Also lassen wir uns heute auf die Begeisterung ein!

Take away:

  • Unser Gehirn bleibt bis ins hohe Alter aktiv und “verrostet” nicht, wenn es mit überdurchschnittlichen positiven Emotionen, sprich Begeisterung, überschwemmt und mit Herausforderungen durch Neues konfrontiert wird.

  • Kinder erinnern uns daran, wie Begeisterung geht und wie man voll Intensität im Moment lebt.

  • Meine 4 Ideen, wie du deine Begeisterung (wieder) erwecken kannst.

 

Emily Suzuki

 

KINDER LEBEN BEGEISTERUNG

Meine Nichte ist in Japan zu Hause und hat mit ihren beiden Kindern (14 und 11) zwei Wochen Ferien bei uns gemacht. Es war für uns - nicht übertrieben - wie ein Jungbrunnen, ihnen u.a. Wien und den österreichischen Way-of-life zu zeigen, sowie österreichisches Essen gemeinsam zu kochen. Egal was es auch war – von den selbst gebackenen Salzstangerln über die Mithilfe auf einem Biobauernhof, die Straßenbahn oder das Schwimmen in der Alten Donau (und natürlich vieles andere mehr) - sie waren mit voller Präsenz und Begeisterung dabei! Durch ihre Augen haben auch wir für uns Alltägliches wieder bewusst erlebt und selbst „unser Wien“ wieder einmal neu und fasziniert gesehen.

Die Freude, die sie an all dem Neuen hatten, hat mich sehr an meinen ersten Aufenthalt in England in den 1960ern erinnert. Damals war ich 12 und das Leben in England war so anders, als bei uns zu Hause (von Minirock und den Beatles bis zu Fruchtjoghurt - all das gab es bei uns noch nicht). Ich weiß heute noch sehr gut, wie großartig ich mich damals gefühlt habe und wie es mich langfristig positiv beeinflusst hat. Selbst heute kann ich daran anschließen.

„BEGEISTERUNG IST DER DÜNGER FÜR UNSER GEHIRN“ (Gerald Hüther) [1]

Als ich die beiden so beobachtet habe, sind mir wieder viele Zitate von Gerald Hüther, dem bekannten deutschen Hirnforscher, eingefallen.

Er spricht davon, dass es die freudigen Emotionen sind, die unser Gehirn maßgeblich dazu anregen, aktiv zu sein. Kinder erleben Glücksgefühle sehr häufig am Tag und jedes Mal bekommt das Gehirn einen Wachstumsschub, das es zur Entwicklung braucht. Und wie oft überwältigt uns Ältere noch ein Sturm der Begeisterung? Oder tun wir nicht auch Sachen ab mit „Geh bitte, kenn ich eh schon!“

Unser Gehirn ist lebenslang lernfähig, denn es kann sich bis zum Lebensende durch Umbauprozesse weiter ändern. Allerdings ist es weder eine Maschine, noch kann man es wie einen Muskel trainieren, sondern es braucht eine emotionale Stimulierung. Nur dadurch werden die Nervenzellengruppen im Mittelhirn aktiv, schütten neuroplastische Botenstoffe aus und wirken damit wie ein Katalysator oder, bildlich gesprochen, wie Dünger, der die Umbauprozesse unterstützt. Wir können also bis ins hohe Alter neue Netzwerke im Gehirn aufbauen, vorausgesetzt, dass wir etwas machen, dass unsere positiven Emotionen in Gang setzt.

Im Umkehrschluss ist es wohl so, dass negative Emotionen zu Blockaden führen. Ihr kennt das sicher, wenn man z.B. Angst hat, scheint man im Kreis zu denken und es ist schwer neue, kreative Lösungen zu finden (mehr über Emotionen siehe Ärger, Wut, Nervosität & Co).

G. Hüther: „Wer das volle Potenzial seines Gehirns nutzen will, der muss seine Begeisterungsfähigkeit zurückgewinnen. Das Gehirn braucht die Anreize von Entdeckerfreude und Gestaltungslust. Begeisterung ist Doping für das Gehirn![1] Menschen, die lustlos in eingefahrenen Verhaltensmustern leben, immer dasselbe machen oder sich mit einer Vielzahl von Konflikten konfrontiert sehen, erzeugen keine neuen Netzwerke im Gehirn und ihre Gedanken verfestigen sich mehr und mehr. Lebendigkeit erfährt man, wenn man etwas macht, das neu ist und einen berührt, z.B. wenn man sich um etwas kümmert, das einem am Herzen liegt. Das regt das Gehirn an!

WENN WIR UNS DEM NEUEN VERSCHLIESSEN, SIND WIR ALT

Auch Michael Lehofer (Psychiater und Psychotherapeut) [2] meint, dass Alt-Sein darin liegt, zu glauben, eh schon alles zu wissen. Wenn man bis ins Alter jung bleiben will, muss man vorgefasste Meinungen immer wieder beiseite schieben und sich neu auf etwas einlassen. Dafür sind Diskussionen mit jungen Menschen so inspirierend. Nicht nur Kinder brauchen eine anregende Umgebung, auch Erwachsene und Senioren müssen immer wieder gefordert werden, denn das Gehirn will benützt werden.

Neues anzugehen ist allerdings auch eine Frage der Energie! Denn unser Gehirn verbraucht unglaublich viel Energie und Denken ist anstrengend. „Schon im Ruhezustand, wenn man gar nichts denkt, saugt das Gehirn etwa 20% der vom Körper bereitgestellten Energie weg. Sobald wir die Augen öffnen, zu denken anfangen oder gar ein Problem haben, steigt dieser Energiebedarf massiv an.“[3]

Daher ist es nicht verwunderlich, dass man mit dem Alter manchmal dazu neigt, Problemen aus dem Weg zu gehen, eingefahrenen Wegen zu folgen oder so weitermacht wie bisher, auch wenn es vielleicht keinen Spaß mehr macht. Um diese Komfortzone zu verlassen, muss daher etwas so wichtig sein, dass es den zusätzlichen Energieaufwand wert ist. Am Ende aber zahlt sich dieser Aufwand immer aus! Es ist offensichtlich ähnlich wie mit Bewegung, man weiß, dass sie einem gut tut, aber zuerst muss der innere, bequeme „Schweinehund“ überwunden werden.

Es sind also nicht die Sudokus, Kreuzworträtsel oder „Gehirnjoggings“, die unser Gehirn frisch und aktiv halten, sondern das „Sich-immer-wieder-auf-Neues“ einlassen! Und natürlich, viel Zeit mit z.B. Fernsehen, den ewig gleichen Computerspiele etc. zu verbringen wird selten Begeisterungsstürme auslösen, denn dabei ist unser Gehirn im Energiesparmodus und auf Stand-By. Und wir sagen dann manchmal auch, ich will eigentlich nur abschalten.

WIE DU IM ALTER WIEDER BEGEISTERUNG ENTFALTEST

Mit all diesen Informationen steht für mich außer Zweifel, dass wir uns wieder mehr und auch überschwängliche Begeisterung gönnen sollen, weil sie ein essentieller Bestandteil der Verantwortung uns selbst gegenüber ist. In unserem Alter muss man vielleicht etwas dafür tun, weil einem das „Be-Geisternde“ nicht mehr automatisch wie früher in den Schoß fällt.

Hier sind daher meine 4 Ideen, wie wir (wieder) mehr Begeisterung in unser Leben bringen:

  • Neues und Begeisterung erleben gehören an die Spitze deiner To-Do Liste!
    Früher waren auf meiner To-Do Listen fast nur jene Dinge drauf, die ich unbedingt machen musste. Der Rest hat sich halt so ergeben. Jetzt aber steht ganz oben: Was mache ich heute, das mein Gehirn mit Begeisterung füllen wird?

  • Schenk auch den kleinen Dingen Beachtung.
    Natürlich ist es toll etwas zu machen, das deine Sinne völlig überrascht. z.B. reisen oder im Windkanal „Fliegen“ ausprobieren (Darum brauchen wir Vergnügen, Humor und Spaß). Aber Momente der Begeisterung findest du viel öfter, wenn du kleinen Dingen Beachtung schenkst. Nur weil man einmal im Job vielleicht große Verantwortung für viele Menschen, Geld oder Projekte hatte, heißt das nicht, dass man jetzt am Selber-Salzstangerl-Backen keine Begeisterung entwickeln kann.

  • Egal in welchem Alter: hab keine Angst vor Neuem.
    Vor kurzem hat mir ein Freund (75) erzählt, dass er mit seiner Partnerin zum ersten Mal in seinem Leben mit dem Wohnmobil unterwegs ist. Sich so etwas spontan trauen, was man noch nie gemacht hat, das finde ich sehr cool! (Neues erleben, das Spaß macht)

  • Und nur ja nicht aufgeben! Das Gehirn liebt neue Lösungen!
    Wenn man Neues erlebt oder lernt kann es natürlich auch zu ungeplanten Schwierigkeiten kommen. Und das wollen viele heute ungern wahrhaben und vermeiden gerne die Konfrontation. („Da kann man halt nichts machen! Da kann man nichts ändern! Ist halt so“). Genau da sind Kinder unsere besten Lehrmeister! Sie bleiben trotzdem dran, auch wenn es manchmal Rückschläge gibt. Und wir konnten das auch. Denn wenn wir im Alter von ein oder zwei Jahren so schnell aufgegeben hätten, wie wir das jetzt manchmal tun, dann hätten wir nie gehen und sprechen gelernt! 😀

 Begeisterungsfähigkeit ist kein netter, kindlicher Zustand,
sondern die Voraussetzung für ein erfülltes Leben
bis ins hohe Alter.

Herzlichst
Helga

[1]    Hüther, Gerald: Begeisterung – Doping für das Gehirn; https://www.coaching-db.ch/2015/09/01/begeisterung-doping-f%C3%BCr-das-gehirn-prof-dr-gerald-h%C3%BCther/

[2]  Michael Lehofer: Alter ist eine Illusion. Wie wir uns von den Grenzen im Kopf befreien; GU 2020

[3]  Gerad Hüther: WÜRDE https://www.kulturvision-aktuell.de/gerald-huether-komfortzone-verlassen-vortrag-2017/