Bei der aktuellen Flut von deprimierenden Neuigkeiten sollten wir uns ganz bewusst auf die Suche nach Neuem machen, das uns mit Freude erfüllt und Spaß macht. Dabei geht es nicht darum, diese Entwicklungen zu leugnen, sondern einfach darum, sich nicht von Negativität überrollen zu lassen. Und im Alter hat das Neue auch noch eine zusätzlich Bedeutung: Sich immer wieder auf Neues einzulassen fördert unser Gehirn, weiß man aus der Neurologie, hält uns jung und macht glücklich. Daher möchte ich Euch mit diesem Post drei Inspirationen und Beispiele dazu geben.
Take Away:
Etwas machen, wovon man – vielleicht schon seit der Kindheit - träumt.
Einfach Neues ausprobieren, weil man neugierig ist.
Den Alltag durch eine neue Brille sehen und Neues dabei finden.
DER RICHTIGE ZEITPUNKT UM NEUES ZU ERLEBEN IST IMMER JETZT
Die Zeit in der Pension ist wie geschaffen für Neues. Nie zuvor hatten wir so viel Zeit, soviel Selbstbestimmtheit und die meisten sind fit und unternehmungslustig. Der erste spontane Gedanke, der bei Neuem oft in den Sinn kommt, ist Reisen. Neues in fremden Ländern erleben steht oft ganz oben auf der Liste (siehe Post GO-GO, SLOW-GO, NO-GO). Keine Frage, reisen erweitert den Horizont und überschüttet uns mit neuen Eindrücken. Meine ganze Familie hat das immer gerne gemacht und viele jüngere Freunde fragen uns heute: „Warum reist ihr nicht mehr, ihr habt doch die Zeit dazu?“ Einfache Antwort: weil es Neues nicht nur in der Ferne gibt, denn es liegt auch direkt vor, neben und vor allem in uns!
Neues zu erfahren ist einen höchste persönliche Sache und ein unerschöpfliches Gebiet. Außerdem liegt es mir fern, einen weiteren Quick-Ratgeber wie z.B. „So erlebst du Neues in deinem Leben“ zu schreiben. Ich möchte mit meinen Posts Themen aufgreifen, von denen ich überzeugt bin, dass sie eine Rolle dabei spielen WIE wir alt werden. Mit meinen Geschichten möchte ich Euch inspirieren darüber nachzudenken, welchen Stellenwert das alles in Deinem Leben hat um es dann auf Deine Weise auch auszuprobieren. Daher sind hier drei Anregungen um Neues in Deinem Umfeld zu finden.
Das Konzept vom „Inneren Kind“ (Jour Fixe mit dem inneren Kernteam). Das gesunde Innere Kind in uns ist neugierig, verspielt, spontan, lacht gerne und blödelt voller Leichtigkeit. Wie viel Raum gibst Du ihm? Welche Träume deiner Kindheit sind noch offen?
Vielleicht gibt es aber auch Dinge, für die Du einfach noch nicht die Möglichkeiten hattest und die Dir bis heute nicht aus dem Kopf gegangen sind. Dinge, die du schon immer einmal ausprobieren wolltest. Oft höre ich dann, dass das aus körperlichen Gründen oder wegen fehlender Ausbildung nicht (mehr) geht... Dann muss man halt kreativ sein und irgendwo und irgendwie klein anfangen.
Schließlich ist es auch möglich in jeder Situation das Neue und Positive zu sehen, wenn man eine andere Brille aufsetzt. Das hilft auch, das Leben nicht so ernst zu nehmen, und wie schon vorher gesagt, es geht nicht ums Leugnen oder „Schönreden“ von Tatsachen!
Es ist die Beschäftigung mit Neuem, die uns begeistert und die in unserem Gehirn Hormone aktiviert, die uns “knackig” erhalten und zum Strahlen bringen.
Ich werde sicher noch eine Reihe von Dingen tun, die bisher nie meinen Weg gekreuzt haben. Fürs erste habe ich begonnen, auf einem Bio-Bauernhof mitzuhelfen.
ETWAS MACHEN, WOVON MAN SCHON ALS KIND GETRÄUMT HAT
Seit zwei Jahren helfe ich auf einem Bio-Bauernhof mit. Ich bin am Land in einer Kleinstadt aufgewachsen und war oft bei meinen Freundinnen, die auf Bauernhöfen zu Hause waren. Also Schweine füttern, Eier aus dem Hühnerstall holen, melken und selbst Traktor fahren sind mir nicht unbekannt. Aber mit Schule, Studium, Beruf und Großstadtleben ist das alles verschwunden. Praktisch all meine Tätigkeiten fanden im und mit dem Kopf statt. Mit meinem Pensionseintritt wurde in mir der Wunsch immer lauter, körperlich zu arbeiten, etwas zu machen, was ich danach real anschauen und angreifen kann und mich dabei auch wohlig „ausgepowert“ fühle. Blog schreiben ist wunderschön, Coachings sind erfüllend und Familienzeit ist großartig, aber der Wunsch richtig zuzupacken war auch immer da. Viele meiner Freunde stürzen sich mit der Pension ins Haus bauen, umbauen oder renovieren, aber mangels Haus musste es halt etwas anderes sein.
Zu diesem Wunsch gesellten sich meine Kindheitserinnerungen vom Bauernhof. Ich hatte das große Glück, über Freunde genau den Hof zu finden, an dem ich immer wieder mithelfen kann. Da es dort ein breites Spektrum an Gemüsebau, Wein und auch Schafe gibt, habe ich bereits Knoblauch „gestupft“ (eingesetzt), Süßkartoffeln und viel anderes Gemüse und auch Ringelblumen gesetzt und geerntet und Unkraut gejätet, aber auch im Weingarten „eingestrickt“, Laubarbeit gemacht, beim Lesen geholfen und Schafe gemolken. Jedes einzelne Mal war für mich ein Erlebnis!
Neues macht glücklich – das kann ich nur bestätigen! Ganz besonders glücklich war ich, als wir mit dem Traktor nach der Ernte durch das Dorf gefahren sind. Eigentlich etwas ganz normales, aber für mich ein echtes Highlight.
Diese Mitarbeit hat mir aber viel mehr als nur einige glückliche Stunden beschert. Sie hat mir eine neue Welt und Sichtweise eröffnet. Seit meiner Mithilfe ist mir noch mehr denn je bewusst geworden, wie anspruchsvoll biologische Landwirtschaft ist. Wir wollen uns immer besser und gesünder ernähren, aber wie viel Aufwand, Pflege und Liebe (ja auch Liebe!) es braucht, bis die Produkte bei uns auf dem Teller sind, muss man echt einmal erleben. Durch dieses Miterleben ist meine Dankbarkeit für das, was ich esse noch deutlich größer geworden. Und auch, dass Gemüse und Obst keinem Schönheitswettbewerb stand halten müssen, um beste Qualität zu sein! Das haben wir beim Blick auf das makellose Supermarktsortiment oft schon völlig vergessen. Und ich habe großen Respekt für die Bio-Bauern, für ihr Unternehmertum und ihren Umgang mit der Natur und ihrem Risiko. Davon können sich viele große Unternehmen etwas abschauen. Es würde mich nicht wundern, wenn Strategien von Bio-Bauern, speziell was ganzheitliches Wirtschaften und Resilienz angeht, in Unternehmensstrategien einziehen (meinen angestammten Beruf kann ich eben nicht leugnen…). Nirgendwo erfährt man mehr über gelebte Nachhaltigkeit, als auf einem Bio-Bauernhof. Dazu sind es natürlich nicht nur die Arbeit und die neuen Erfahrungen, es sind ganz besonders auch die Menschen und die Begegnungen, die so unglaublich bereichern. Danke Maria & Franz!
Neues erleben kann Tücken haben! Manchmal erfährt man auch eigene Limits, wenn man etwas Neues ausprobiert. Am Bauernhof sind das definitiv einseitige, anstrengende Bewegungen, die man als „Stadt- und Büropflanze“ überhaupt nicht gewöhnt ist, selbst wenn man „brav“ Sport betreibt. Da heißt es wirklich aufpassen, das EGO („Ich kann das doch alles!“) im Zaum zu halten und wirklich auf den Körper zu hören. Bei einem meiner ersten Einsätze hatten wir Futterrüben geerntet und auf den Anhänger geworfen. Eine Tätigkeit, die man mit Medizinball werfen vergleichen kann. Stundenlang und ohne Training. Das habe ich danach noch sehr lange gespürt und bin jetzt einiges vorsichtiger, was meine Grenzen angeht!
Eines ergibt das andere! Aus dieser Mitarbeit hat sich ein neues Projekt für uns ergeben, das unser Wissen aus früheren Jobs, Energetik und Weinbau zusammenbringt. Mein Mann und ich betreuen in einem anderen Betrieb einen Weingarten mit Homöopathie, also „Pflanzenschutz durch Information“. Heute ist das noch weitab vom Mainstream und genau deshalb sehen wir es als Privileg von Pensionisten an, dass wir Dinge tun dürfen, die wir ausführlich recherchiert haben und daher davon überzeugt sind, die sich aber (noch) nicht rechnen müssen und die vor allem anderen helfen!
NEUES AUSPROBIEREN, WEIL MAN NEUGIERIG IST
Unser Freund Thomas (70+) ist ständig begierig, Neues zu erleben und neue Einblicke in unterschiedlichste Bereiche zu bekommen. Er sagt „Was immer ich jetzt mache, muss mich glücklich machen“. Das strahlt er auch aus. Er liebt Sportveranstaltungen, er liebt Großevents und Menschen. Also sucht er sich Volontier-Jobs aus, die ihn direkt ins Zentrum des Geschehens bringen. Einmal hat er Programme bei einem Volleyballspiel verkauft; ein anderes Mal war er Teil der Crew im Begleitboot einer Segelregatta. Bei einem jährlichen Biathlon Event ist er schon zum Administrator, der die Schüsse registriert, aufgestiegen, weil er bereits seit einigen Jahren dabei ist. Wichtig ist, so meint er, dass man sich genau das aussucht, was man wirklich gerne macht. „Es ist der Vorteil unseres Alters, dass wir nicht jeden Job nehmen müssen, der sich bietet. Denn es geht nicht ums Verdienen, es geht ums Erleben und Erfahren. Hinter die Kulissen schauen zu dürfen und sich dabei selber in neuen Situationen auszuprobieren.“ Und noch etwas: wenn es mich glücklich macht, strahle ich Positives aus! Davon profitiert auch mein ganzes Umfeld.
DEN ALLTAG DURCH EINE NEUE BRILLE SEHEN UND NEUES DABEI FINDEN
Man kann Neues auch dort erfahren, wo man es am wenigsten erwartet. Als meine Schwiegermutter mit über 90 einen Schlaganfall hatte und ihr Aktionskreis sich für längere Zeit auf die Wohnung beschränkte, war es fürs erste vorbei damit, draußen etwas Neues zu erleben. Aber genau dadurch hat sie Neues in unbekanntem Ausmaß erfahren. Vor dem Schlaganfall hat sie alleine gelebt, jetzt hatte sie mehrmals täglich Besuch. Ihre Pflegerinnen, die sie regelmäßig besuchten, kamen aus vielen Teilen der Welt. Daher hat sie begonnen, sich mit ihnen über ihre Herkunftsländer zu unterhalten, hat sich mit ihren Kulturen auseinander gesetzt und sogar ein paar kleine Sätze oder auch nur Wörter in ihren Sprachen gelernt. Da waren sogar Sprachen wie Suaheli und Amharisch dabei. Jeder Besuch ihrer Pflegerinnen wurde zu einem neuen Event und hat beiden Seiten Freude gemacht. Sie hat in diesem hohen Alter eine Weltoffenheit bekommen, die sie vorher nicht gekannt hat. Das Öffnen für Neues ist, wie uns meine Schwiegermutter gezeigt hat, in jedem Alter und in jeder Situation möglich.
Michael Lehofer (Psychotherapeut) schreibt in seinem Buch „Alter ist eine Illusion“ [i] dazu: „Jetzt sind wir nun einmal dort, wo wir sind! Was gibt es da zu erforschen? Welche Abenteuer kann ich da erleben? Welche Freuden bietet mir das Neue? Und das neue Wunderland ist nicht immer das Paradies oder Schlaraffenland!“ Wow, gerade der letzte Satz ist eine Erkenntnis!
Und er meint auch:
„Festhalten an Altem macht uns alt!
Jetzt ist es wichtig dass wir Altes loslassen,
in unserem Kopf Platz schaffen für Neues,
für das ständige Neuwerden.
Nur das hält uns wahrhaft jung.“
Herzlichst
Helga
mehr zum Thema Glück findest Du hier:
Was ist Glück
Wie werde ich im Alter glücklich
[i] Michael Lehofer: Alter ist eine Illusion. Wie wir uns von den Grenzen im Kopf befreien. GU 2020